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OLG Hamm: Ärzte müssen wegen grob fehlerhafter Behandlung einer Patientin mehrere 100.000 Euro Schad

zu OLG Hamm , Urteil vom 04.12.2015 - 26 U 32/14; 26 U 33/14

Zwei Mediziner müssen wegen der grob fehlerhaften Behandlung einer Patientin mehrere 100.000 Euro Schadenersatz und ein Schmerzensgeld von 100.000 Euro zahlen. Dies hat das Oberlandesgericht Hamm entschieden und damit Urteile des Landgerichts Bochum bestätigt. Die Urteile vom 04.12.2015 (Az.: 26 U 32/14 und 26 U 33/14) sind noch nicht rechtskräftig. Gegen sie wurde jeweils Revision eingelegt, die beim Bundesgerichtshof unter den Aktenzeichen VI ZR 703/15 und VI ZR 704/15 laufen.

Beklagte wandte sich wegen immer schlimmer werdender Beschwerden an beklagte Mediziner

Die 1944 geborene Patientin, eine Geschäftsfrau, Klägerin im Verfahren 26 U 33/14, fiel im März 2006 auf ihr Gesäß und begab sich in die ambulante Behandlung des zweitbeklagten Chirurgen. Dieser diagnostizierte einen Knochenhautreizzustand an der Steißbeinspitze und behandelte die Klägerin mit mehreren Infiltrationen. Aufgrund sich verschlimmernder Beschwerden suchte die Patientin im April 2006 das vom erstbeklagten Mediziner geleitete therapeutische Institut in Bochum auf. Nach der Anfertigung eines MRT der Lendenwirbelsäule und des Iliosakralgelenks wurde die Klägerin erneut mit mehreren Injektionen behandelt. Wenige Tage darauf behandelte der Zweitbeklagte die nach wie vor unter erheblichen Beschwerden leidende Klägerin bei einem Hausbesuch wiederum mit schmerzstillenden Infiltrationen.

Mehrere Revisionsoperationen und dennoch noch Schmerzen und Bewegungsbeeinträchtigungen

Im weiteren Behandlungsverlauf mit mehrmonatigen stationären Aufenthalten stellte sich heraus, dass bei der Patientin eine schon länger zurückliegende Kreuzbeinfraktur bestand. Zudem hatte sich die Patientin mit dem Staphylococcus aureus Bakterium infiziert. Durch die Infektion erlitt sie multiple Abszesse, ein multiples Organversagen mit zeitweilig lebensgefährlichem Verlauf und musste sich mehrfach Revisionsoperationen unterziehen. Die Patientin leidet noch heute unter Narbenschmerzen, Mobilisations- und Bewegungseinschränkungen.

LG verurteilt Ärzte auf Grundlage von Sachverständigengutachten zu hohen Schadenersatzzahlungen

Die Klägerin meint, von beiden Beklagten grob fehlerhaft behandelt worden zu sein. Sie und die für sie eintretende Krankenversicherung, die Klägerin im Verfahren 26 U 32/14, haben in beiden Prozessen von den Beklagten materiellen Schadenersatz verlangt, die Klägerin in ihrem Verfahren zudem ein Schmerzensgeld. Nach der Einholung mehrerer medizinischer Sachverständigengutachten hat das Landgericht Bochum der klagenden Patientin 100.000 Euro Schmerzensgeld, circa 12.000 Euro materiellen Schadenersatz und der klagenden Versicherung circa 530.000 Euro Schadenersatz für die Kosten medizinisch notwendiger Folgebehandlungen zugesprochen. Über weitergehende Verdienstausfallschäden der klagenden Patientin hat das LG noch nicht entschieden.

OLG: Zweibeklagter hätte Steißbeinfraktur abklären müssen

Die Berufungen beider Beklagten gegen die landgerichtlichen Urteile sind erfolglos geblieben. Nach ergänzender Befragung der medizinischen Sachverständigen hat das OLG Hamm die erstinstanzlichen Urteile in vollem Umfang bestätigt. Dem die Patientin zuerst behandelnden Zweitbeklagten sei zumindest ein grober Behandlungsfehler unterlaufen, der seine vollständige Mithaftung für die Gesundheitsschäden der Patientin begründe, so das OLG. Der Zweitbeklagte hafte, weil er seine wenige Tage zuvor begonnene Injektionsbehandlung fortgeführt habe, ohne eine Steißbeinfraktur durch bildgebende Verfahren abzuklären. Habe er noch zu Behandlungsbeginn auf eine bildgebende Diagnostik verzichten dürfen, sei diese einige Tage darauf angezeigt gewesen, weil sich die Beschwerden der Patientin nicht dauerhaft verringert hätten. Bei dieser Sachlage sei es zwingend geboten gewesen, der Frage einer Steißbeinfraktur nachzugehen. Das Unterlassen der weiteren bildgebenden Verfahren sei deswegen grob behandlungsfehlerhaft. Aufgrund der Steißbeinfraktur sei die vom Zweitbeklagten fortgeführte Infiltrationstherapie kontraindiziert gewesen. Dieser Schaden und die weiteren Folgeschäden der Klägerin seien dem Zweitbeklagten aufgrund der mit der grob fehlerhaften Behandlung verbundenen Beweislastumkehr zuzurechnen.

Erstbeklagter haftet wegen Fehldiagnose in Bezug auf Fraktur

Der Erstbeklagte hafte, weil seine Mitarbeiter bei der Auswertung des MRT eine Fraktur beziehungsweise einen Frakturverdacht fehlerhaft nicht diagnostiziert hätten. Auch zur Kontrolle der Lage von Injektionsnadeln gefertigte CT-Aufnahmen seien fehlerhaft bewertet worden, weil die sichtbare Fraktur nicht erkannt worden sei. Zudem sei eine aufgrund der Fraktur kontraindizierte Injektion fehlerhaft in den Frakturspalt gesetzt worden. Die Diagnosefehler und auch die Injektion in den Frakturspalt seien grobe Behandlungsfehler. Aufgrund der mit der grob fehlerhaften Behandlung verbundenen Beweislastumkehr hafte der Erstbeklagte ebenfalls in vollem Umfang. Bei beiden Beklagten sei nicht auszuschließen, dass die jeweils in ihrem Verantwortungsbereich durchgeführten Injektionen die Infektion der Patientin bewirkt hätten. Deswegen seien beiden die weiteren Folgeschäden der Klägerin zuzurechnen.

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